Frank Busemann im Gespräch mit Hildesheims Leichtathletik-Talenten
„Lernt die Anspannung zu lieben“
Emotionale Diskussion um Erwartungshaltungen und Verletzungen im Leistungssport - TV-Experte referierte vor 120 Gästen in der Hildesheimer Bischofsmühle Hildesheim – Als Frank Busemann am Mittwochabend in der Hildesheimer Bischofsmühle sein Maßband aus der Taschezog und lang durch den vollbesetzten Saal warf, machten die 120 Besucher im Konferenzsaal große Augen. „Über acht Meter. Nicht schlecht, oder?“, strahlte der große Blonde. Scheinbar immer noch selbst am meisten überrascht über seine tollkühne Leistung von vor fast 30 Jahren bei Olympia in Atlanta.
Der mittlerweile 50-jährige ARD- Leichtathletikexperte war auf Einladung der Unternehmer Hildesheim in der Stadt. Anhand seiner Sportkarriere sprach er über den Umgang mit Niederlagen und die Fokussierung auf eigene Stärken. „Hat nicht vielleicht jeder von Ihnen eine Acht-Meter- Disziplin in sich?“ forderte er seine Zuhörer mit einem Augenzwinkern heraus.
Über Nacht zum Olympiahelden Genau genommen waren es acht Meter und neun Zentimeter, die er 1996 als 21-Jähriger bei seinem legendären Zehnkampf gesprungen ist. Acht Disziplinen später machte ihn der Wettbewerb seines Lebens hinter dem US-Amerikaner Dan O`Brien sensationell zum Silbermedaillengewinner. Über Nacht wurde der schlaksige Youngster zum Olympiahelden, ein halbes Jahr später sogar zu Deutschlands Sportler des Jahres. Nach WM-Bronze 1997 reichte es bei Olympia 2000 in Sydney trotzeiniger Trainingsverletzungen noch zu Rang sieben. Schon im Alter von 28 Jahren musste der Mann mit „Ferrari-Motor und Trabi- Fahrgestell“ (O-Ton Busemann) seine aktive Sportkarriere dann aus gesundheitlichen Gründen beenden und stieg sofort als Experte in die Fernsehmoderation ein.
Diskussion mit Eintracht-Leichtathleten Busemann unterhielt sein Publikum am Mittwochabend blendend.
Schon am Nachmittag wurde der sympathische Ruhrgebietler selbst aus der Reserve gelockt. Zehn Eintracht-Leichtathleten rund um Sprint- Toptalent Max Husemann waren zu einer Diskussionsrunde mit dem ehemaligen Weltklasseathleten gekommen. Verstanden sich auf Anhieb: Hildesheims Topsprinter Max Husemann (links) mit Frank Busemann. Wie er denn Sport, Schule und Freundschaften unter einen Hut bekommen hätte, wollten die Jungs aus der Trainingsgruppe wissen. „Schule muss stimmen“, war Busemanns klare Ansage. Seine Eltern zogen vor dem Abi zwischenzeitlich die Notbremse, als er in Latein von 3 auf „‘ne glatte 5 abstürzte.“ Und als ihn sein bester Freund mal mächtig angezählt hatte, kam der gerade als bester Nachwuchsathlet Deutschlands gekürte Teenager mächtig ins Nachdenken. „Freundschaften außerhalb der Sportblase bleiben unfassbar wichtig.“ „Ich habe viel und oft geheult“ Dann wurde es emotional. Tipps zu Trainingstechniken oder moderner Leistungsdiagnostik waren Nebensache, als Mittelstrecklerin Inka Vogelgesang den sonst stets strahlenden Bildschirm-Profi nach seinem Umgang mit Verletzungen und der oft viel zu hohen Erwartungshaltung fragte. Eintracht-Mittelstrecklerin Inka Vogelgesang machte Baumann nachdenklich.
„Ich habe viel und oft geheult“, gab Busemann nach einigen Momenten unumwunden zu. Leistungssport an sich sei eher ungesund, machte er den Hildesheimer Leichtathletik- Talenten keinerlei Illusionen auf eine schmerzfreie Karriere. „Aber der Sport ist ehrlich, davon bin ich überzeugt“, schob Busemann nach. „Was man investiert kommt irgendwann mit Zinsen zurück. Entweder auf der Bahn oder im Leben.“
Fokussiert bleiben und Umsetzen was geht.
Nur zu oft hatten Verletzungen seine akribisch ausgearbeiteten Trainingspläne über den Haufen geworfen. Die Millenniums- Silvesterfeier sechs Monate vor Olympia 2000 in Sydney hatte er mit einem Muskelfaserriss im Bett verbracht, erinnerte sich Busemann an die schwierigste Phase seiner Karriere. Fokussiert bleiben, Pläne ändern und Umsetzen was geht, rät er den Eintracht- Athleten. Er selbst hätte es sich nie verziehen, die Challenge in Sydney nicht wenigstens noch einmal anzunehmen. „Wo am Ende vielleicht sogar machbare 8.640 Punkte für Gold gereicht hätten.“Schlaflose Nacht vor wichtigen Wettkämpfen Bei allem Ehrgeiz gewinnen zu wollen, erinnert sich Busemann noch gut an die Anspannung vor jedem Event. Die schlaflose Nacht vor wichtigen Wettkämpfen wurde irgendwann zur Normalität. Der positive Umgang mit solchen Situationen ist ihm im Rückblick wichtig. „Lernt die Anspannung zu lieben“, gab er den Sportlern mit. Schließlich würde sie dieser Adrenalin- Peek im Berufsleben auch noch oft begegnen.
Immer wieder neue Reize setzen. Auch als Beobachter hinter der Kamera hätten sich die Basics für den Erfolg nicht geändert. Um Ziele zu erreichen, müsse man für Kopf und Körper immer wieder neue Reize setzen – aber ohne dabei den Spaß an der Sache zu verlieren. „Lachen beim Training ist genauso wichtig wie das tägliche Warm Up“, war ihm deshalb eine abschließende Botschaft an die Eintracht-Talente besonders wichtig.