Ranga Yogeshwar schilderte beim IdeenExpo-Talk in Hildesheim seine Vision unserer digitalen Zukunft.
„Geschäftsmodelle und Verständnis von Privatsphäre werden sich ändern."
Ein eBook-Reader, dessen eingebaute Kamera die Augen des Lesers scannt, Gefühle ermittelt und die Daten für eine Gesundheitsprognose nutzt? Was nach Science Fiction klingt, ist in Ranga Yogeshwars Erzählungen bereits Realität in den Forschungslaboren der IT-Konzerne. Beim IdeenExpo-Talk im Haus der Industrie, der Bischofsmühle in Hildesheim, bannte der TV-Moderator und Wissenschaftsjournalist das Publikum mit einer unterhaltsamen und fachkundigen Präsentation. Er blickte dabei über den Tellerrand von Deutschland hinaus und lieferte Beispiele der digitalen Revolution in der ganzen Welt.
Dass eBook-Reader in Zukunft mit Kameras ausgestattet werden, genau wie Handys und Tablets, konnte sich jeder Zuhörer noch gut vorstellen. Aber dass die Kameras von Pharmakonzernen genutzt werden, um mit den Daten die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten zu berechnen und dazu passende Versicherungen vorzuschlagen, diese Vorstellung sorgte für Stirnrunzeln. „Glauben Sie mir, ich habe den Prototypen gesehen“, versicherte Yogeshwar. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich Geschäftsmodelle dazu entwickelten und von Konzernen genutzt würden.
Yogeshwars These: Wir leben in einer Welt, die sich durch die digitale Revolution so stark und schnell verändert, dass wir den Wandel und seine Auswirkungen noch nicht richtig erfassen können. Erst im Rückblick gelinge es, Entwicklungen einzuordnen. Ein Beispiel dafür sei das veränderte Verhalten, Krankheiten zu diagnostizieren. „Früher gingen wir zum Arzt, wenn wir krank waren. Heute lässt Angelina Jolie ein Gen-Screening machen und sich wegen einer extremen genetischen Belastung noch vor Ausbruch einer Krebserkrankung operieren“, sagte Yogeshwar.
Eine künstliche Intelligenz, die lernfähig ist und uns in unserem Alltag hilft, ist weit weg? Diese Annahme sei falsch, behauptete Yogeshwar, und führte die Sprachsteuerung seines Smartphones vor, die ihm zwei aufeinander aufbauende Fragen beantwortete. „Wir tragen diese Dinge schon in unserer Hosentasche mit uns herum. Wir reden über eine Entwicklung, die schon da ist“, betonte er.
Seine Prognose: Digitale Innovationen krempeln den Markt um und stellen unser bisheriges Verständnis von Produkten und Prozessen auf den Kopf. Dabei sei es „erschreckend“, dass einige wenige Player den Markt beherrschten. Die Forschung dürfe nicht allein Facebook, Apple, Amazon, Google, Microsoft und YouTube überlassen werden. Stattdessen sei es nötig, durch die neue Art der Vernetzung für demokratische Projekte im Netz zu sorgen, wie zum Beispiel den Wissensdienst wikipedia zero, der seine Artikel für die Nutzung auf dem Handy in Entwicklungsländern optimiert hat.
Yogeshwar warb für die IdeenExpo, um den Anschluss an die junge Generation zu behalten und digitale Experimente mitzugestalten. Die Frage nach dem Datenschutz und rechtlichen Grenzen der neuen Entwicklungen beantwortet Yogeshwar so: „Das ist eine Debatte, die wir führen müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich unsere Definition von Datenschutz ändern wird, genauso, wie sich unser Verständnis von Privatsphäre ändern wird.“